So lassen sich für mich die Praktikumstage beschreiben. Hochmotiviert, mit vielen Ideen, was man machen könnte und immer wieder ausgebremst durch chaotische Organisation und falsch laufende Kommunikation.
Wir hatten geplant, Workshops anzubieten, Niklas als Musiker schwebte Jazz vor, vielleicht sogar mit einer kleinen Band, sowohl in mehrmaligen Treffen pro Woche, als auch in Intensivworkshops am Wochenende. Da ich ja mit Musik nicht so viel am Hut habe, außer vor mich hinzuträllern, hatte ich überlegt, einen Filmworkshop anzubieten (mit filmwissenschaftlichem Input für den Anfang, über das Ideensammeln, Drehbuchschreiben, Konzeptionieren, Drehen bis zum Schneiden). Alles zusammen würde sich am Ende des Praktikums gut zu einem bunten chinesisch-deutschen Abend zusammenfügen lassen. Soweit die Theorie. Die Praxis ist wie folgt:
„Wir können den Schülern nicht einfach frei geben, wir haben viel regulären Stoff der im Lehrplan steht.“ Am nächsten Tag wollen wir uns den Ablauf des Unterrichts ansehen, um das chinesische Bildungssystem ein Stückchen mehr zu verstehen, plötzlich kommt jemand rein und sagt „Die Stunde fällt aus, ihr könnt unterrichten, macht mal was“. Ohne Vorbereitung kommt man dann natürlich nicht so weit, wie man eigentlich könnte.
Mein geplanter Filmworkshop, muss mit den angedachten Studierenden, die am Montag bei der Besprechung waren, ausfallen, weil es Seniors im vierten Jahr sind, die durch die Bank weg schon arbeiten und meist wieder in ihrer Heimatstadt wohnen. Das bekommt man aber auch erst zufällig im Nachhinein und über Dritte mit. Es ist wirklich anstrengend, weil der Informationsfluss nicht richtig läuft.
Auch die Info, an gleich drei Universitäten zu sein, Teacher's College, Anhui Universität und Anqing-Universität (was nochmal einen Stadtwechsel heißt) erreichte uns recht spät, nämlich als wir bereits am Teacher's College angefangen hatten. Häppchenweise ist die angedachte kontinuierliche Arbeit natürlich nicht zu bewerkstelligen. Wir konnten das nun immerhin so regeln, dass wir die kommende Woche noch am Teacher's College bleiben (eine Woche verlängert), dann zwei Wochen an der Anhui Universität sind (auch in Hefei) und dann für eine Woche kompakt nach Anqing fahren, etwa 150km südlich von Hefei, aber immer noch in der Provinz Anhui.
Niklas hat ein paar Studierende gefunden, denen er fast täglich Jazzunterricht am Piano gibt. Mit dem Chor haben wir die Aussprache von „Guten Abend, gut Nacht“ auf ein recht gutes Niveau gehoben, ich bin gespannt auf die Aufnahme. Ein Beigeschmack bleibt doch: Wir bleiben einfach weit hinter den Möglichkeiten zurück, und das ist wirklich schade.
Wir machen weiter so gut wie es geht, vielleicht ja auch mal bald mit guten Neuigkeiten, wenn ich die zweite Klasse motivieren kann, ihre wenige Freizeit in zusätzliche Arbeit zu stecken :-) Ich gebe die Hoffnung jedenfalls noch lange nicht auf, dass wir noch etwas aufführungsreifes in Hefei auf die Bühne bringen können.
Steffi_in_China - 4. Mär, 21:24
Das Wochenende ähnelte unseren ersten Tagen in Hefei wieder sehr stark. Wir hatten nicht übermäßig viel zu tun. Am Samstag hatten wir uns privat mit zwei der Chinesinnen getroffen. Abends hat uns dann erst Bob zum Essen eingeladen, um mit ihm weiter Details unseres Aufenthalts zu besprechen. Dieser Mensch ist wirklich ausgesprochen sympathisch, Steffi und ich fühlen uns in seinen Händen gut aufgehoben. Das Essen haben wir allerdings kostenlos bekommen, der Chef des Restaurants ist ein Bekannter von Bob und außerdem war es eine Ehre für ihn, die ersten Ausländer zu bekochen, die je in seinen Laden gekoommen sind.
Abends sind wir dann noch mit John in die Revolutionary Bar gegangen, so ziemlich dem hippesten Ort Hefeis. Dort haben wir dann auch zum ersten Mal andere Nicht-Chinesen getroffen, so ca. 10-15 waren dort aus Russland, Australien und anderen Ländern. Es spielte auch eine LiveBand, die anscheinend sowohl von Gastdozenten als auch Einheimischen formiert wurde.
Sonntag dann wurde hier das Laternenfest gefeiert, der eigentliche Abschluss des Frühlingsfestes. Es gab eine kleine Bühne in einem kleinen Marktviertel, auf der mehrere Tanz-, Gesangs- und Musikergruppen spielten (ein Typ hatte eine Art Flöte mit der Nase gespielt). Dort haben wir auch einen der unhöflichsten Chinesen bis jetzt getroffen. Ein älterer Herr mit gigantischer Kamera, der uns wie ein Paparazzo belauert hat und irgendwann so dreist war, aus einem halben Meter Entfernung Fotos von uns zu schießen... wir haben uns gereizt weggedreht. Am liebsten hätte ich ihm das Teil runtergeschmissen.
Anschließend sind wir mit John noch in ein hippes Karaoke-Café gegangen und haben uns für zwei Stunden zu dritt in einer kleinen Kabine gegenseitig zum Affen gemacht.
Kommen wir noch zu einer weiteren Analyse: dem Zeitempfinden der Chinesen.
Schon häufiger war uns aufgefallen, dass Chinesen äußerst pünktlich sind, wenn es um Uhrzeiten geht. Das begann bei dem Bus der uns um 7.30 zur chinesischen Mauer abholen sollte, ging bei den Essenszeiten weiter und ist auch jetzt noch so, wenn wir mit dem Bus zur Uni fahren, oder wir mit einem unserer Gastgeber verabredet sind.
Mit "äußerst pünklich" meine ich gerade zu überpünktlich. Ist man um 15 Uhr mit jemandem verabredet, kann mit mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass es bereits um 14.50-14.55 an der Tür klopft. Daran mussten wir uns auch gewöhnen, wenn wir eigentlich gerade noch die Zähne putzen oder eine kleine Sache zu erledigen haben. Busse fahren auch gerne ein paar Minuten vor ihrer Zeit ab.
John hat uns das damit erklärt, dass die Chinesen wahnsinnige Angst davor haben, zu spät zu Verabredungen zu kommen. Wahrscheinlich wird diese Angst uns gegenüber noch verstärkt, dass man sich von uns Deutschen erzählt, ausgesprochen pünktlich zu sein (was ich nicht von Mihr behaupten kann :) ).
Ein anderer Aspekt ist, dass die Wochentage sich hier kaum von den Wochenenden unterscheiden. Der einzige Unterschied, den ich bisher festgestellt habe, war, dass die Uni am Wochenende nicht stattfindet. Läden haben allerdings zu den selben Zeiten auf, wir können manchmal sogar dieselben Verkäufer die ganze Wochen hindurch imselben Geschäft sehen. Ärgerlich ist wiederum, dass die Zimmermädchen hier im Hotel am Samstag munter morgens um 9 (!) an der Tür klopfen, weil sie ja gerne das Zimmer sauber machen würden. Dabei wollten wir einmal ausschlafen!
Allgemein ist das hier ein Frühaufsteherland. Frühstück bekommen wir nur bis spätestens 8.30 im Hotel (gilt auch für Wochenenden). Essen in der Unimensa wird nur von 11.30-12.30 serviert (einer der Dozenten meinte, das liegt an einem alten Glauben der Chinesen, dass man Mittagessen unbedingt um 12 Uhr einnehmen muss. Alles andere wäre ungesund für das Volk). Abendessen allerdings gibt es dort von 16-22 Uhr... total unverständlich, warum gerade abends man so viel Freiheit erhält.
Für alle, die es noch nicht wussten: China hat im gesamten Gebiet eine einzige Zeitzohne. Dadurch, dass wir uns am östlichen Teil befinden, bedeutet das, dass es ziemlich früh hell und ebenso früh dunkel wird (daher war mein Jetlag vielleicht auch noch kräftiger, als es allein die 7 Stunden gemacht hätten). Vielleicht erklärt das auch, warum ich hier schon vor 0 Uhr schlafen gehe.
Itaju - 2. Mär, 17:29
„Alter ist irrelevant, es sei denn, du bist eine Flasche Wein“, wird Schauspielerin Joan Collins gerne zitiert. Das könnte vielleicht auch unsere Losung in China werden. In vielen Köpfen (auch in meinem) sehen Asiaten immer jünger aus als sie tatsächlich sind. Das bewahrheitet sich auch einfach zu oft auf dem Campus, wenn scheinbar 15-, 16-jährige Mädchen sich als „Seniors“ im vierten Studienjahr vorstellen und doch 22 sind.
Neu war für uns allerdings, dass das Alterschätzen auch für Chinesen nicht so einfach ist. Auf um die zwanzig geschätzt zu werden, ist durchaus vertretbar, schmeichelt zugegebenermaßen ein bisschen meinem Ego (hilfe, ich werde alt :-/). Interessant sind allerdings die Schätzungen von Niklas Alter, wie „Meinst du er ist 15?“ „Nee, guck mal genau, der ist bestimmt schon 18.“
Die Krönung erlebten wir allerdings am Samstag, als wir mit Ya Jing und Xin, zwei chinesischen Studentinnen der Teacher’s University im Park spazierten. Ein wenig matt von viel spazieren erholten wir uns an einem See, als drei chinesische Muttis des Wegs kamen. Interessierte Blicke auf unserereiner sind wir ja mittlerweile gewohnt, die Muttis verwickelten unsere chinesischen Begleiterinnen in eine angeregte Konversation, die die beiden nach mehreren ausgetauschten Blicken in unsere Richtung in schallendes Gelächter ausbrechen ließ. Über den Grund wurden wir auf Niklas Drängen dann auch aufgeklärt: die Frauen hatten tatsächlich gefragt, ob er 10 Jahre alt sei.
Steffi_in_China - 1. Mär, 20:46
So, ob ihr es glaubt oder nicht: heute war tatsächlich unser erster Arbeitstag. Oder zumindest das, was wir als solche bezeichnen könnten. Nein, es war nicht viel, und wir fühlen uns auch nicht kaputt, aber es war kein Sightseeing und kein "Staatsbesuch" in einer Musikschule.
Gut. Der Tag begann nach bewährtem Muster. Wir schnupperten an der Teachers' Unversity in ein unbekanntes Ressort. Erst in so etwas wie das Immatrikulationsamt. Ein paar Fakten über das chinesische Uni-System an dieser Stelle:
- Studiengebühren betragen ca. 500 Euro im Jahr (alles inklusive)
- ein Studentenwohnheimzimmer gerade einmal 50 Euro - im Jahr. allerdings sind das auch Sechsbettzimmer. Nächste Woche besuchen wir so ein Wohnheim, also können wir euch auch Bilder von der Wohnsituation geben
- es gibt hier so etwas wie Anfänge einer Studentenvertretung. Jeder Kurs hat hier einen Kursspreche, die gegen Ende des Semesters einmal tagen, um Probleme mit den Autoritäten zu besprechen
- es gibt Evaluationsbögen für die Arbeit der Dozenten
- genau wie bei uns gibt es Online-Vorlesungsverzeichnis und ähnliches
- Studenten können sich mit ihrer Abiturnote bei drei Universitäten bewerben
Anschließend sind wir durchs Kunstinstitut gelatscht, das im selben Gebäude wie das Musikinstitut liegt. Auffällig war die große Auswahl des Angebots. Bildhauen, Zeichnen, Malen, Cartoons, Basteln, Raumgestaltung, Enviroment Design (darunter können wir uns noch nicht wirklich etwas vorstellen) und vieles mehr. Allerdings waren auch diese Künste ziemlich westlich orientiert. Das fatale war, dass egal in welche Klassenraum wir geschaut haben ÜBERALL kopiert wurde. Also wenn die Studenten etwas gemalt oder gezeichnet haben, dann aus einem Buch. Zu unserer Beruhigung hatte uns ein Dozent dann erklärt, dass dies daran liege, dass es die erste Woche nach den Ferien wäre und das freie Malen erst später dazukäme. Hoffentlich haben wir in ein paar Wochen die Gelegenheit das zu überprüfen.
Dann waren wir zum ersten Mal in der Studentenmensa, die ziemlich voll war. Wir hätten uns gewünscht, dass man hier eine der wichtigsten Erfindungen der Zivilisation eingeführt hätte - Warteschlangen (allgemein bilden sich hier zu gegebenen Anlässen in China selten Schlangen, meistens wird einfach gedrängelt). Die Preise waren wieder phänomenal. Ein Haufen Reis kostet 2-3 cent. Mit dem Essen habe ich übrigens seit gestern meinen Frieden gefunden, als es von morgens bis abends wunderbare Dinge zu Essen gab.
Schließlich kamen wir zu unserer Arbeit. Wir sollten dem Universitätschor die deutsche Aussprache von "Guten Abend, gut' Nacht" beibringen. Als erstes mussten wir den Chorleiter beten, direkt zu den Studenten zu sprechen, da er unsere englischen Sätze für die Gruppe auf Chinesisch übersetzen wollte. Eine unnötige Hürde. Dann stellten wir fest, dass das Englisch tatsächlich sehr schlecht war unter den Studenten. Zum Beispiel wollten wir fragen, welchen englischen Wörtern "gut" und "Rosen" ähneln, was einen Moment brauchte. Manchmal kam es so vor, als würden die Chinesen nur ein englisches Gebrabbel verstehen und dann ein deutsches Wort, das plötzlich auftauchte sofort nachsprechen. Besonders das "wirst" und "Näglein" stellten sich als Herausvorderung heraus. Umso erstaunter waren wir, dass der Rest schon nach nur 45 Minuten Probezeit während des Singens fast muttersprachlich klang.
Im Anschluss hatten wir endlich die Gelegenheit mit den Studenten zu reden. Wir luden etwa vierzig von ihnen in einen Klassenraum und stellten uns vor. Wir baten sie, es zu versuchen, Englisch zu sprechen, auch wenn sie von ihren Fähigkeiten möglicherweise nicht überzeugt war. Wir mussten sie auch daran gewöhnen, still zu sein, wenn ein einzelner von ihnen uns eine Frage stellte, damit alle diese hören konnten. Das Gespräch begann äußerst zäh. So gut wie niemand traute sich von sich aus etwas sagen. Die Gesichter drehten sich oft zum Nebenmann (und noch häufiger zur Nebenfrau), um nachzufragen, ob derjenige verstanden hat, worum es gerade ging. Tatsächlich zeigten sich sehr schnell zwei, drei Mädchen, die sich sehr gut verständigen konnten und damit auch langsam die anderen ermutigten. Wir versuchten einen Austausch über die chinesische und deutsche Jugendkultur zu veranstalten. Wir stellten fest, dass man hier nicht ins Theater geht, aber gerne auf Popkonzerte. Einer (von gerade einmal drei Jungen die sich trauten, mit uns zu sprechen) der Jungs erzählte von seiner Band, die auch schon einige Konzerte in der Stadt hatte.
Allgemein wirken die Studenten hier eher wie Mittelstufenschüler (großes Gekicher und Gekreische bei gewissen Bemerkungen) und von denen auch eher nur die Braven und Schüchternen. Man zeigt hier viel Respekt. Auch Steffi und Mihr gegenüber, dabei schätzten sie uns auf ihr eigenes Alter (wenn, dann nur leicht älter). Bemerkenswert war auch, dass es so etwas wie einen Klassenzusammenhalt gibt. Da die Studenpläne äußerst verschult sind (so gut wie keine Wahl bei Studienfächern, Unterricht in Klassenverbänden), kenn man sich besser und geht dementsprechend anders miteinander um. Besonders rührend war, dass eine Studentin am Ende der Stunde in einem herzförmigen Pappkasten Geld einsammelte. Für einen kranken Klassenkameraden, um ihm besser Behandlung zu ermöglichen (was für Schlüsse wir dadurch auf das Gesundheitssystem ziehen müssen, wissen wir noch nicht).

Nach der Stunde mit den Studenten waren viele ziemlich aufgetaut. Man wollte Fotos mit uns machen und stellte uns noch im kleinen Rahmen private Fragen. Zum Beispiel, was man in Deutschland unternehmen kann, wenn man etwas tun muss, was man nicht will. Damit meinte ein Mädchen, dass sie (wegen der Studienplatzzuweisung) ein Studienfach studieren muss, dass ihr nicht gefällt. Mit der Frage war ich ganz schön überfordert.
Mit einigen der Mädchen haben wir uns dann morgen an unserem (nun nicht mehr ganz so) freien Tag verabredet, um uns die Stadt zeigen zu lassen.
Sehr schön!
Itaju - 26. Feb, 19:55
Gestern und heute haben wir endlich einen kleinen Einblick in unsere Wirkstätte bekommen, die Teachers University in Hefei. Die Studierenden haben je nach Studienjahr (1-4) einen ziemlich vollgepackten Stundenplan, der allerdings auch über das reine Musikstudium hinausgeht. Neben Piano, Singen, Musikgeschichte, Komposition, Harmonielehre, Solfege und Tanzen belegen die Studierenden Politik, Psychologie, Kalligraphie, Unterrichtsmethodenlehre, Sport, Englisch und Chinesisch. Zusätzlich gibt es Chor- und Orchesterproben. Besonders das Tanzen (begleitet am Klavier) hat uns beeindruckt, ich habe noch nicht gehört, dass man das in Deutschland im Musikstudium macht, obwohl es ziemlich sinnig ist, ein Körpergefühl für die Musik zu bekommen.
Der Unterricht, den wir bis jetzt zu sehen bekamen, war Frontal, aber weit lockerer als angenommen. Da kommt man auch mal zu spät, schreibt SMS oder der Dozent macht Scherze.
Morgen treffen wir auf eine Gruppe Studierender, mit denen wir zusammenarbeiten wollen. Mal gespannt, wie sich das entwickelt, denn nach kurzer Aufwärmphase heute hat man schon großes Interesse am „deutschen Lifestyle“ und an deutscher Popmusik bekundet.
Da sowohl in den Musikschulen, die wir besichtigt haben, als auch in der Universität der Fokus auf klassischer europäischer Musik sowie traditioneller chinesischer Musik liegt, sind Pop und Jazz eher Sachen auf die man in der Ausbildung keinen großen Wert legt. Bis auf den Jazz-Saxophonisten Leo, den wir am ersten Tag in Hefei getroffen haben, hat sich noch niemand als Spieler anderer Stile "geoutet."
Auch der vollgepackte Stundenplan macht uns ein wenig Gedanken, denn bei 10 Stunden Unterricht und Übezeit am Tag noch ein Projekt mit den Studierenden zu machen, das am Ende aufführungsreif ist, bereitet mir noch ein wenig Bauchschmerzen.
In den nächsten Tagen wird sich aber denke ich herauskristallisieren, was machbar ist und was nicht. Ich bin gespannt und träume weiterhin von einem deutsch-chinesischen Abend in einer Hefeianischen Konzerthalle :-)
Steffi_in_China - 25. Feb, 21:40
Wie hält man die Arbeitslosigkeit in einem Land möglichst gering? Man verteilt möglichst viele Fachkräfte pro Quadratmeter. Was in winzigen Fastfood-Restaurants mit 10 Angestellten auf etwa 40qm bereits wie ABM anmutet, wird bei unserem gestrigen Besuch eines Frisörsalons noch getoppt. Etwa 20 (!) Frisöre auf zwei Etagen in einem etwa 50qm großen Salon, multipliziert mit einem gefühlten Dutzend weiteren Frisörläden in der unmittelbaren Umgebung. Faszinierenderweise sind alle aber scheinbar rund um die Uhr beschäftigt (was in den Restaurants nicht immer der Fall ist), denn als wir gegen halb 8 unser Ziel erreichen, brummt das Geschäft. Junge Frisöre beiden Geschlechts, jedoch vor allem Männer mit hippen strähnig-farbigen Mangafrisuren schäumen und schnippeln was das Zeug hält. Die Kundschaft ist dagegen vorwiegend weiblich und breit gefächert, von der Mittdreißigerin mit neuem Pony über junge Mädchen die sich die Haare lockig machen lassen (irgendwie wirkt man hier mit Locken leicht exotisch) oder ihre Extensions neue clipsen lassen. Und dazwischen Niklas. Nachdem bereits in Beijing Überlegungen nach einer dieser hippen Mangafrisuren angestellt wurden und wir des öfteren sehr interessante Exemplare auf der Straße sahen, sollte in Hefei nur das Beste grade gut genug sein: wir hatten die Frisöre einige Tage zuvor in Frisörkluft (lila Hemd und schwarze Schürze) durch die Stadt joggen sehen und nach einer detektivgleichen Suche war das Objekt der Begierde auch gefunden.
Mit einigen Sprachschwierigkeiten musste „Just do something cool with my hair“ vermittelt werden. Nach Haarewaschen und Kopfmassage wurde der zuständige Frisör gewechselt, doch nachdem der ein paar Schnitte getan hatte, kam der nächste. Der blieb dann aber auch bis zum Schluss und schnitt und schnitt und schnitt bis zum Endergebnis: Nicht ganz so manga wie erhofft, aber zufrieden angesichts der Fabulosität des Ortes und seiner Mitarbeiter und dem an Paul McCartney in seinen besten Jahren erinnernden Schopf.
Um den prominenten Besuch abzurunden, wurde Niklas die Mitgliedschaft im Frisörclub angeboten, die er trotz des unschlagbaren Preises von 50 Yuan (etwa 5 Euro) zu den 50 Yuan, die der einstündige Frisörbesuch gekostet hatte, dankend mit dem Hinweis ablehnte, nur noch 5 Wochen hier zu sein.
Steffi_in_China - 25. Feb, 21:32
Unser heutiger "Arbeits"tag bestand darin, die 100km von Hefei entfernte Stadt Shouxian zu besuchen. Man muss sagen, dass sich bestimmte Sehenswürdigkeiten in den unterschiedlichen Städten sehr ähneln. Es war bereits die zweite Stadtmauer (wenn man die verbotene Stadt nicht mitzählt) und der geschätzte zwanzigste Tempel, den wir uns anschauten.
Die Stadt selbst ist für chinesische Verhältnisse winzig (Hefei mit seinen 4 Millionen gilt ja schon als klein). Gerade einmal 150.000 Menschen leben hier. Die Straßen wirken auch deutlich ländlicher und wir werden hier noch stärker wie Aliens angestarrt, als noch in Hefei.
Das wirkliche Highlight des Tages war dann der Besuch in der Musikschule der Stadt und eigentlich das Kernstück unseres Ausflugs. Die gesamte Musikschule ist gerade einmal so groß wie etwa zwei Eigentumswohnungen. Direkt oberhalb lag noch eine Tanzschule, in die wir auch kurz hineinschauten.

Ich falle zum Glück weder durch Grazie noch Eleganz aus der Reihe.
In der Musikschule hatten wir uns dann tatsächlich alles angeschaut, was es dort gab. Eine Klavierstunde mit einer ziemlich talentierten jungen Pianistin, ein Geigenunterricht mit Mädchen, die noch ein bisschen üben müssen, eine Harmonielehrestunde (besonders auffällig war, dass bei jedem der Kinder ein Elternteil danebensaß, um das Üben zu überwachen!), zwei Gitarrenspieler (mit denen ich Knocking on Heaven's Door spielte) und den Unterricht an einer alten Zither (ich weiß leider nicht den exakten chinesischen Namen). Letztere durften Steffi und ich auch ausprobieren, was ziemlich viel Spaß gemacht hat.
Alle diese Unterrichtsstunden finden auf engstem Raum statt. Die Musikschule ist die einzige ihrer größe in der gesamten Stadt und zeigt, dass die musikalische Bildung verbesserungswürdig ist.
Beim Abschied hätten wir fast den Aufsteller übersehen, den wir aufgrund mickriger chinesischkenntnisse beim Betreten der Musikschule nicht als wichtig erachten.

Hier werden die Gäste aus Deutschland, namentlich Hildesheim willkommen geheißen!
Wir waren total baff, dass man hier so einen Aufwand unseretwegen betreibt!
Itaju - 23. Feb, 23:03
Kommen wir endlich zu einem Thema, dessen Thematisierung hat viel zu lange auf sich warten lassen - das Essen.
Chinesen mögen es scharf und fettig, kann man allgemein festhalten. Der Konsum von Reis hält sich eigentlich in Grenzen und wird eigentlich nur zum Ende eines Mahls serviert um den Magen abzurunden.
Die Mahlzeiten laufen so ab, dass sich die zu verköstigende Gruppe um einen großen kreisförmigen Tisch setzt, in dessen Mitte auf einer drehbaren Glasplatte die Speisen serviert werden. Jetzt kann sich jeder bei den Speisen bedienen. Dass jeder sein eigenes Gericht erhält, ist nur in den weniger traditonellen Restaurants und FastFood-Imbissen üblich. Überhaupt ist die Restaurant- und Imbisskultur sehr stark ausgeprägt. An jeder Innenstädtischen Straße oder Gasse gibt es mehrere Stände oder kleine Buden, an denen man sich etwas zu Essen besorgen kann.
Die Tischmanieren sind äußerst gewöhnungsbedürftig. Selbst ich als Legastheniker auf dem Gebiet muss mich schwer angstrengen, nicht ducrh zu gute Manieren aufzufallen. Hier wird geschlürft, geschmatzt und gekleckert, was das Zeug hält. Es ist schon lustig, wenn der Businessmann, der im Anzug vor einem Sitzt schmatzend und mit vollem Mund eine Geschichte erzählt.
Das Essen mit Stäbchen geht nach Rund zwei Wochen Chinaaufenthalt schon ziemlich souverän von der Hand. Ich hätte nicht gedacht, dass man sich da so schnell dran gewöhnt.
Überall, wo ich hinkomme und man mich als Vegetarier entlarvt hat, wird Mihr hier freudig Tofu angeboten. Auch heute in der Stadt Shouxian, in der angeblich das Tofu erfunden wurde. Die Leute scheinen tatsächlich zu glauben, dass ich aus Liebe zum Tofu Vegetarier geworden bin. Ich glaube, ich würde sie zutiefst verletzen, wenn ich gestehen würde, dass ich das Gemüse um einiges lieber habe.
Steffi hat es heute tatsächlich vollbracht, Hund zu probieren. Ich hatte das ja bisher eher für eine Legende gehalten, dass so etwas hier tatsächlich serviert wird. Und die Fische, die mit Kopf (und Augen!) auf den Tisch gestellt werden, finde ich nicht gerade appetitlich (dabei bin ich an der Küste aufgewachsen).
Zu den wirklich ekelhaften Sachen (wo sich Steffi und ich einig sind) zählen die Hühnereier, die man auf der Straße gekocht - inklusive ungeborenen, aber gut sichtbarem Küken - kaufen kann.
Itaju - 23. Feb, 22:48
Endlich! Wir sind in Hefei, der Hauptstadt der Provinz Anhui, angekommen. Nachdem wir in so wohlklingenden Städten wie „nördliche Hauptstadt“ (Beijing) und „westlicher Friede“ (Xi‘an) zu Gast waren, mutet der Name unserer Praktikumsstadt seltsam an. Hefei heißt übersetzt „zusammen fett“.

Die 16-stündige Zugfahrt war recht entspannt, am Samstag Nachmittag hatten wir eine tolle sonnige Aussicht auf Berge und kleine Dörfer. Als Wegzehrung hatten wir in Xi’an Monstermöhren gefunden:
Um 6 Uhr morgens am Sonntag wurden wir am Bahnhof von zwei Lehrern der Teacher’s University abgeholt und zum Hotel gebracht. Japp, wir dachten bei „wir sorgen für eine Unterkunft“ auch eher an eine Unterbringung im Wohnheim… Da die Feierlichkeiten des chinesischen Neujahrs hier alles ein wenig anders machen, beginnt die Uni hier auch nicht am 22., sondern erst am 25. Heißt für uns, wir müssen noch ein wenig warten, bis wir endlich die Studierenden kennenlernen. Doch dass uns langweilig wird ist nicht zu befürchten, denn es wurde ein richtiges Programm für uns auf die Beine gestellt. Am Sonntag waren wir zu Besuch in einer privaten Musikschule (es gibt nur private, keine öffentlichen Schulen), was nicht nur wegen der richtig guten Blechbläserkombo den Besuch wert war, sondern auch wegen der spontanen Jazz-Session von Niklas und Leo, der seit 10 Jahren Saxophon spielt und einmal pro Monat zu seinem Jazz-Lehrer nach Beijing fährt, was einfach 1000km sind. Unglaublich, er hat riiiichtig gut gespielt und die Kombination mit Niklas am Klavier war richtig gut.
Heute schauen wir uns die Stadt an, worauf ich gespannt bin, denn der erste Eindruck gestern war schon sehr vielversprechend. Obwohl es eine „Provinzstadt“ ist, wirkt es auf den kleinstapelnden Europäer riesig. 4 Mio. Einwohner sind dann doch mal größer als Berlin. Am meisten aber freuen wir uns aber darauf, endlich die Studierenden kennenzulernen und loslegen zu können.
Steffi_in_China - 22. Feb, 09:07
10 Tage in China sind schon ein Punkt ein wenig über die hiesige Bevölkerung zu erzählen. Ich muss dazu im Vorfeld erwähnen, dass hier immer noch die Feierlichkeiten zum Neujahrsfest angehen und deswegen alles ein wenig anders ist als sonst.
Von der Einkindpolitik bekommen wir nicht viel zu spüren. Um ehrlich zu sein, sieht man hier viel mehr Kinder als in Deutschland. Ob jetzt ein Elternpaar mit genau einem Kind herumläuft, darauf achtet man nicht wirklich. Allerdings sind Oma und Opa auch häufig im Boot. Allgemein kann mam sagen, dass man hier von allen Altersgruppen etwa gleichviel Leute sieht. Gerade die älteren Leute sehen sehr glücklich aus, wenn man sie freundlich anlächelt.
Kinderwagen oder ähnliche Vehikel haben wir noch keine gesehen. Die Kinder werden hier einfach so herumgeschleppt. Auffällig ist allerdings, dass die jüngeren Kinder im Windelalter an der Hinterseite ihrer Hose eine praktische Öffnung haben, durch die man nicht selten blanke Arschbäckchen hervorblitzen sieht. Das ist einfach ein zu köstlicher Anblick, besonders, wenn so ein Kind direkt vor einem hinfällt. :)
Kommen wir zu den Tieren. Eigentlich gibt es da nicht viel zu schreiben, ich wollte nur die Missstände anpragern, zu denen Tiere hier geschäftlich ausgebeutet werden. Wir haben zum Beispiel einen Pulk Leute gesehen, um einen zwielichtigen Typen, der Tricks mit ziemlich abgefuckt aussehenden Affen gemacht hatte. Aber noch schlimmer war es, als wir heute an selber Stelle eine Händlerin mit einem Schuhkartongroßen Käfig gesehen haben, in dem etwa fünfzehn kleine Küken waren, die einfach so verkauft wurden - noch nicht einmal zum essen, sondern als Spielzeug! Und einige von ihnen waren noch in Neon-Farben angesprayt: Pink oder Neongrün, einfach grässlich. Das schlimmste war, als wir später kleine Kinder mit den Küken in Plastiktüten davon tragen sahen.
Noch so eine Sache, die wir hier immer deutlicher zu spüren bekommen, ist die Tatsache, dass wir anders aussehen. Als wir uns heute fünf Minuten auf eine Parkbank setzten, kam gleich nach kurzer Zeit eine Gruppe chinesen auf uns zu, von denen sich zwei mit uns fotografieren lassen wollten. Um ehrlich zu sein, dachten wir, dass es ohnehin nur eine Frage der Zeit ist, bis das passiert. Übrigens halten einen hier alle für Amerikaner und sprechen einen auf Englisch an und sind erstaunt, wenn man dann doch sagt, dass man aus Deutschland ist. Wenn man genauer darüber nachdenkt, ist es aber auch irgendwie logisch.
Tatsächlich fallen einem auch die anderen westlich aussehenden Touristen auf. Ich versuche ihnen nicht zuzulächeln, als würde man einen gleichgesinnten treffen, da ich niemanden aufgrund seines Aussehens gesonders behandeln möchte (was aber natürlich lange nicht immer klappt).
Itaju - 19. Feb, 18:41