Sonntag, 21. März 2010

Wode Shengri hen kuaile!

Gestern habe ich meinen ersten Geburtstag außerhalb meines Geburtskontinentes gefeiert. Gratuliert wurde Mihr übrigens schon von einigen Leuten über eine Woche im Vorraus. Genau wie bei der Übertriebenen Pünktlichkeit haben die Chinesen unglaubliche Angst, dem Geburtstagskind zu spät zu gratulieren, daher tun sie es einfach vorher.

Steffi hatte am Mittag für mich ein Überraschungspicknick mit John und Sunny, zwei befreundeten Chinesen, vorbereitet. Wir sind dazu nach draußen auf den Jadesee direkt vor dem Tor der Universität gegangen. Es gab einen Geburstagskuchen, viel Obst und auch Schokolade!!!
Nach kurzer Zeit kam eine Kindergruppe vorbei, die im Park spielten. Als man ihnen von meinem Ehrentag erzählte, sangen sie für mich sogar ein Geburtstagsständchen und anschließend spielten wir mit ihnen das "Hennen-Spiel", bei dem ein Raubvogel die Küken einer tapferen Hühnermama stibitzen versucht.


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Das Wetter war (trotz des offiziellen Frühlingsanfanges) nicht ganz so gut wie am Vortag, aber wenigstens trocken und nicht arschkalt. Abends aßen Steffi und ich dann noch lecker lecker Sachen auf der Schlemmermeile vor den Toren der Universität.

Ein toller Geburtstag!

Heute waren wir übrigens kurz im botanischen Garten und anschließend am Teachers' College, wo Steffi weiter ihren Filmworkshop geleitet hat. Anschließend fanden wir heraus, das ein befreundetes Mädchen Geburtstag (also am 21.) hatte. Spontan feierten wir im Zimmer des Studentenwohnheims ein kleines Fest zu "Pokerface" und ein paar wunderbaren chinesischen Popsongs. Wir kannten die Texte nicht und grölten trotzdem mit. In etwa so, wie man englische Lieder singt, bevor man seinen ersten Fremdsprachenunterricht hatte.
Shengri kuaile!

Freitag, 19. März 2010

F.A.Q.

Nach über fünf Wochen China konnten Steffi und ich leider immer noch nicht das Äußere der Einheimischen Bevölkerung annehmen. Obwohl ich Mihr mittlerweile eine wundervoll gefälschte Jacke (die ist so gut gefälscht, dass man nicht einmal weiß, wovon sie eine Fälschung sein soll) gekauft habe, fall ich immer noch auf, als stünde Mihr mit Filzstift "Ausländer" auf die Stirn geschrieben.

Ist man dann erst einmal entlarvt und von einem mutigen Chinesen auf der des Englischen mächtig ist angesprochen, muss man sich dann den immerwiederkehrenden

Hier einmal die häufigsten (und damit nervigsten) Fragen zusammengetragen. Beim ersten Mal mögen sie noch interessant zu beantworten zu sein, da wir diese aber bis zu fünf Mal am Tag beantworten müssen,

What do you think of Chinese food?
What is your favourite Football/NBA player/team?
What is the weather in your country like?
Is this your first time in China?
How many places have you visited?
Do you know Michael Jackson?
Can you speak a little Chinese/Can you say something in Chinese?
What do you think of German cars?
How do you say "hello" in German?
Can I make friends with you?
Do you have a boyfriend/girlfriend? (Auch wenn die Chinesen eher schüchtern sind, bei dieser Frage sind sie sehr direkt)
What do you think of China?

Gerade letzte Frage ist die schlimmste von allen, da sie an komplexität kaum zu überbieten ist.
Heute hatte ich den Fehler begangen, mich zur English Corner zu begeben (ein Treff für Chinesen und Austauschstudenten, ihre verbalen Fähigkeiten zu verbessern).
Als man mich heute mit dieser Frage konfrontierte und ich gerade überlegte, wie ich am höflichsten formulieren kann, dass ich sie nicht sonderlich intelligent beantworten kann, sprang Mihr ein anderer Chinese zur Seite, indem er seinen Landsmann anraunte:
"this is a very stupid question. everyone asks this to foreigners"

Donnerstag, 18. März 2010

Theaterpädagogik

Heute wollte ich dann endlich meinen theaterpädagogischen Workshop starten. Dazu wurde mir eine Musik-Klasse zugeteilt, von denen alle gerade "Stage Performance" Unterricht hatten. Am Abend vorher hatte ich Mihr ein langes Programm mit vielen unterschiedlichen Übungen überlegt.
Als Steffi und ich dann schließlich den Raum betraten, war ich ein wenig enttäuscht. Der Lehrer war bereits zugange mit den Schülern Aufwärmübungen zu machen, die denen, die ich vorbereitet hatte stark ähnelten - dabei dachte ich, den Chinesen etwas gänzlich Neues zu zeigen! Immerhin empfand ich der anderen Schauspielunterricht, den wir am Vortag besuchten äußerst läppisch. Dieser Lehrer jedoch schien tatsächlich besseres Know-How zu besitzen.
Ich wollte mich davon nicht einschüchtern lassen und begann mein Programm mit der Ankündigung, dass die Schüler einige der Übungen vielleicht kennen könnten, sie trotzdem mitmachen sollten.
Wir gingen gemeinsam in den großen Musiksaal, bei dem wir erst einmal die Stühle zur Seite schaffen mussten, um uns im Kreis aufzustellen. Anti-Hierarchische Raumformationen sind in China übrigens (wie zu erwarten) nicht sehr weit verbreitet. Meistens erwartet man von der Person, die das sagen hat (in diesem Fall ich), sie würde sich vor die anderen stellen.
Wir begannen dann zunächst mit Aufwärmübungen wie Raumlaufen zu bestimmten Anweisungen (stellt euch vor, ihr seid Zombies oder ihr habt gerade im Lotto gewonnen) und Klatschspielchen. Die Instruktionen erklärte ich meistens laut und deutlich in Englisch, um sie von Vale, einer Englischstudentin, ins Chinesische übersetzen zu lassen.
Ich war froh, das auch der eigentliche Lehrer selbst an den Übungen teilnahm. Die anderen Studenten scheinen ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm zu pflegen (das hatten wir in dieser Form noch nicht in China erlebt), was vielleicht auch daran lag, dass er nur wenige Jahre älter schien als seine Schützlinge.

Leider war ich enttäuscht, dass die Studenten (diesmal wieder so 20-21 Jahre alt) sich bei der Bewältigung der Aufgaben ziemlich unreif verhielten. Anstatt, wie ich etliche Male anwies, sich z.B. beim Raumlaufen nur auf sich selbst zu konzentrieren gab es ständig Gekicher und Gerede. Auch bei der Blindenführung, bei der paarweise eine Person die Augen schließen musste, um von der anderen geführt zu werden - normalerweise eine entspannende meditative Übung - brach großes Gelächter aus. Deswegen unterbrach ich die Übung mit einer ernsten Ansprache, dass sie doch alle gute Musiker werden wollen und daher auch solche Aufgaben ernst nehmen sollten, damit sie auch auf der Bühne eine gute Figur machen. Anschließend ging es deutlich besser voran.

Um den Bogen zu dem Oberbegriff "Stage Performance" zurückzuspannen, ließ ich am Schluss einen kleinen Chinesen ein "Theaterstück" spielen. Seine Aufgabe war es (wie das Publikum zunächst nicht wissen durfte), sich einfach auf einen Stuhl vor die anderen zu setzen und dort einige Minuten zu verharren. Anschließend reflektierten wir diese Übung im Bezug darauf, was das Publikum wahrgenommen hatte, und wie sich der Schauspieler fühlte.
Erstaunlicherweise waren es bei dieser Gruppe zum ersten Mal eher die Jungs, die sich bei Fragen zu Wort meldeten, während ihr gegenteiliges Geschlecht sich eher zurückhielt.

Als Abrundung des Abends ließ ich noch das Improvisationsspiel "Zirkus" spielen, bei dem ein erster Spieler als Zirkusnummer angekündigt wird (zum Beispiel als Akrobat, Schlangenbeschwörer, oder Elefant), die er vor den anderen Nachstellen soll, um im Anschluss an seine Darbietung die nächste Nummer spontan anzukündigen, die sein nachfolgender Spieler augenblicklich ebenfalls umsetzen muss.

Mittwoch, 17. März 2010

Von Angsthasen und Babysittern

Nach dem zweiten Tag an der Anhui University sind wir nach dem ganzen Hype des ersten Tages schon wieder ernüchtert.
Das Artdepartment ist in einem Gebäude (was bedeutet, dass dort Musiker, Schauspieler und bildene Künstler zusammen studieren), unglaublich gut ausgestattet, aber es ist den Studenten verboten Kurse anderer Studiengänge zu besuchen - stellt euch das einmal in Hildesheim vor!
Wir besuchten morgens erst einen Schauspielkurs, bei dem jeweils ein Junge und ein Mädchen eine Szene in einer Wohnung nachspielen sollten. Das ganze war überraschenderweise ohne Skript, also einfach drauf los. Ärgerlicherweise hatte die Lehrerin die Szenen im Zehnsekundentakt unterbrochen, um ihre Anmerkungen unterzubringen, statt die beiden die Szene einmal im ganzen zu Spielen. Daraus resultierte auch eine unglaublich nervöse Langeweile unter den übrigen Studenten. lang Mein Vorschlag (nicht geäußert, keine Angst, Marlène): lasst die Szenen ausspielen und dann zuerst die anderen Studenten Feedback geben, damit diese auch konzentriert zustanden und Rückschlisse auf ihre eigenen Fähigkeiten erhalten. Die Schauspielfähigkeiten waren meines erachtens nach etwa auf dem Niveau einer SchultheaterAG, allerdings waren die Studenten in diesem Kurs auch keine Schauspielstudenten, sondern "Host"-Studenten, was bedeutet, dass sie später Moderatoren möchten werden.

Im nächsten Kurs waren wir in der Solfege (Gehörbildung) bei Herrn Wang, unserer Bezugsperson auf diesem Campus. In diesem Raum muss man wieder sagen, dass er hervorragend ausgestattet war. Etwa dreißig elektrische Klaviere mit Kopfhören standen dort für alle Schüler bereit - ein Luxus im Vergleich zu der mageren Übezellensituation an der Hildesheimer Uni.
Anschließend an den Unterricht wollten wir Herrn Wang fragen, ob wir den Montag zusätzlich zum Sonntag freibekommen könnten (da wir am Sonnabend arbeiten würden), um endlich zum Huang Shan zu fahren. Herr Wang war der zeitlichen Komponente nicht abgeneigt, allerdings meinte er, das ganze sei zu gefährlich für uns. Da hatten Steffi und ich uns ziemlich geärgert, dass man uns so bemuttern muss. Einen Tag zuvor hatte Herr Wang sogar gesagt, wir sollten uns immer bei ihm abmelden, wenn wir den Campus verlassen, und das ja auch ein Krankenhaus in der Nähe ist, falls uns was passiert, draußen vor den Toren der Uni sei ja alles so risikobeladen. Das wir bereits zwei Wochen auf eigene Faust durch Beijing und Xi'an getingelt sind, die beide in China als um einiges gefährlicher gelten, hat ihn wohl nicht beeindruckt. Herr Wang meinte schließlich, er überlege sich das ganze noch einmal. (Er hatte uns übrigens vorgeschlagen, doch zum Huang Shan zu fahren, wenn wir an der Uni von Anqing sind: nicht, weil das weniger gefährlich werde, sondern weil er dann nicht mehr die Verantwortung über uns hatte). Wir sind allerdings nicht gerade zuversichtlich, das das ganze etwas wird.
Ansonsten werden Steffi und ich hier trotz allgemein reiferer Studenten selbst kindischer behandelt. Wir haben fast jederzeit einen Studenten an der Seite, der uns auch ganz nett fünfmal fragt, ob wir auch wirklich den Weg zurück zum Hotel finden.

Zum Nachmittag sind wir dann - oh Schreck! - mit dem Taxi - hab Erbarmen! - zurück zur Teachers' University gefahren, um dort unsere begonnenen Kurse fortzusetzen.
Meine Schüler haben mich regelrecht stolz gemacht. Jetzt machen wir den letzten Feinschliff, damit das Konzert nächset Woche auch garantiert toll wird. Besonders Sunny und Jina haben mich beeindruckt, als sie Norah Jones gespielt haben. Jina war anfangs sehr schüchtern und vorsichtig, aber nach einigen praktischen Übungen war sie schließlich sowas von gut. Ich war richtig glücklich!
Es war auch irgendwie ein schönes Gefühl wieder bei unseren liebgewonnenen Studenten zu sein und auf den Campus zu kommen war schon ein kleines bisschen ein Gefühl vom Nachhause kehren.

Dienstag, 16. März 2010

Willkommen an der Anhui Universität

Der Tag begann mit einer Überraschung. „Where are your bags?“ fragten Mr. Wang und Mr. Zheng, die uns am Hotel abholten, um uns sicher zu unserer nächsten Etappe, der Anhui Universität zu bringen. Was man vergessen hatte uns zu sagen, war, dass wir umziehen würden. In Windeseile mussten wir also unsere Sachen packen und ehrlich gesagt schickte ich dabei mehr als einen deutschen Fluch in Richtung der Organisation.
Unsere neue Unterkunft ist einfach krass. Das Hotel liegt auf dem riesigen Campus, der 40.000 Studierende beherbergt (es gibt noch zwei weitere). Es gibt eine große Dusche mit Türen (yeeeeeah, überschwemmtes Badezimmer ade!), eine fest installierte Klimaanlage und eine 24h-Rezeption, was die Gefahr ausschließt wie im letzten Hotel um 24 Uhr vor verrammelten Türen zu stehen.
Der Campus hat 17 Departments, von denen aber wieder viele in einzelne Fächer unterteilt sind. Das Art Department, an dem wir sind, vereint unter seinem Dach Musik (Studienfächer: music stage performance, Piano), Drama (Filmschnitt, Moderation in Radio oder TV, stage performance), Malerei (traditionelle chinesische Malerei, westliche Malerei) und Design (Environmental Design und klassisches Design). Wir sind begeistert, dass es hier eine viel größere Bandbreite als am Teacher’s College gibt (das übrigens auch unter den Namen „Anhui Normal University“ und „Anhui Institute of Education“ firmiert, was mich sehr verwirrt). Ich glaube aber nicht, dass hier viel interdisziplinär gearbeitet wird, die Studierenden sind zu sehr im Klassenverbund behaftet. Allerdings wirken sie trotz gleichem Alter um einiges reifer und erwachsener als die Schüler am Teacher’s College. Männer und Frauen scheinen einen recht normalen Umgang zu pflegen, jenseits von Grüppchenbildung und pubertärem Gekicher. Auch mit der Sexualität scheint man es hier lockerer zu nehmen, so sind zwar auch hier Mädchen- und Jungenhäuser getrennt:
No-entry
doch das scheint Pärchen nicht abzuhalten, denn unser Begleiter Ale zeigte uns direkt vor den Toren des Campus eine Reihe von Stundenhotels, die wohl rege besucht werden sollen.

Fachlich bin ich natürlich besonders interessiert am Drama-Zweig. Ale studiert Filmschnitt und konnte mir schon einige tolle Sachen erzählen. Sie belegen nicht nur Kurse in Filmschnitt, sondern machen eigentlich drumherum alles, was mit Film zu tun hat. Regie,
Drehbuch schreiben, Licht und Ton, Make Up (was ich am eigenen Leib zu spüren kam. Wie kann mir die Visagistin die Augen blau-grün anmalen und den Mund pink?! Ich habe als 13-jährige in der BRAVO-Girl gelernt, dass man entweder den Mund oder die Augen betont…). Jedes Semester wird ein Film- und/oder Serienprojekt von den Studierenden gemacht.
Krönender Abschluss des Tages war da der Besuch des unieigenen Studios. Alter, wir waren baff.
P1030232
Der Abend war zum freien Experimentieren für die Studierenden gedacht und diese probten einige Szenen für ihre TV-Serie. Wir machten die Bekanntschaft mit den schrägsten Chinesinnen, die ich je gesehen habe. Als traurige Nicht-Brillenträgerin war ich begeistert von den glaslosen Gestellen, die sie trugen. Dass sie allerdings beide Kontaktlinsen zu den Gestellen tragen, finde ich dann doch etwas... seltsam :-D
Fashion-girls
Zu meiner Überraschung bin ich jetzt stolze Brillengestellbesitzerin, denn mir wurde es einfach von den "fashion girls" wier sie sich nennen, geschenkt.

Freitag, 12. März 2010

Sportunterricht a la Jackie (Chan)

Heute war Steffi und mein letzter offizieller Tag am Teacher's College von Hefei.
Und was für einer!
Einer der Chinesen lud mich ein, beim Sportunterricht teilzunehmen. Obwohl ich unangenehme Erinnerungen an meinen eigenen Unterricht hatte, und befürchtet hatte, mich jetzt als Basketballniete outen zu müssen (die sind hier total verrückt nach dem Sport, es gibt etliche Baskteballfelder auf dem Campus und im ganzen Land), wurde ich beim Angebot, Kung Fu zu erlernen neugierig und ließ mich nicht lumpen. Steffi wurde dann gleichzeitig gefragt, ob sie den Mädchen beim Tanzen bewohnen wollte.
Eigentlich hatte ich beim Kung Fu-Training deshalb eine reine Männerrunde erwartet, allerdings waren dort wieder gut zwei Drittel Mädchen.
Der Unterricht begann mit einem Aufwärmtraining. Sprich 500 Meter über den Campus zu laufen. Ich war erstaunt, dass ich zum ersten Mal im Leben der größte in einer Sportstunde war. Und ich konnte kaum glauben, dass ich am Schluss noch an der Spitze der Ausdauernden war, während viele schon zum Gehen gewechselt haben. Dabei habe ich mindestens ein halbes Jahr nicht im Ansatz Sport gemacht!
Wieder beim Training in der Halle wurde Mihr schließlich bewusst, dass ich ein großes Manko besaß. Ich konnte meine Beine lange nicht so gut dehnen, wie alle anderen Mitschüler. Deshalb schaute ich den anderen bei ihren Dehnübungen einfach zu.
Seltsam war allerdings, dass viele der Kursteilnehmer (genau wie ich an dem Tag) in Straßenkleidung Sport machen.
Das Boxen war schließlich ziemlich interessant. Abwechselnd waren wir in der aktiven Schlägerpositon und in der des Abwehrenden.
Das Ganze hat unglaublich viel Spaß gemacht und es war ganz toll mal zur Abwechslung wieder seinen Körper zu spüren.

Der Frühling ist übrigens mittlerweile in Gange. Hatten wir am Montag noch trotz 5+ Lagen Kleidung gebibbert, konnten wir heute schon im Sweatshirt herumlaufen.

Als wir im Anschluss zum Mittagessen gingen, stellten wir fest, dass der Bursche, der mich zum Unterricht geschleift hatte, keinen englischen Namen besaß. Ich schlug ihm "Jackie" vor, in Anlehnung an Jackie Chan. Er nahm den Namen und das Kompliment fröhlich an.

Donnerstag, 11. März 2010

Mein Klavierunterricht

Es ist an der Zeit etwas über meinen Klavierunterricht zu schreiben und meine Klaverschüler.
Das ganze hat vor zwei Wochen begonnen, als ich vor einer Abschlussklasse einen Blues am Klavier gespielt und gefragt hatte, wer interessiert sei, auch so etwas zu lernen. Es meldeten sich fünf Leute, die noch am selben Tag Nachmittags um 14 Uhr zum Unterricht erscheinen wollten.
Von diesen fünf Leuten ist heute nur noch einer übrig geblieben (Long). Die anderen sind aus Zeitmangel und Desinteresse irgendwann fern geblieben. Stattdessen kam noch zufällig ein anderes Mädchen dazu, dass wir noch von einem früheren Ausflug kannten (Sunny, ihr Englischer Name. Ihr chinesischer Name lautet lustigerweise übersetzt "Schnee"). Long ist ein ziemlich guter klassischer Pianist, dem ich auf dem Gebiet vermutlich kaum etwas Neues erzählen kann. Sunny hingegen spielt Klavier nur als Nebeninstrument, da sie hauptsächlich Geigenunterricht genießt.

Mit beiden habe ich mich die letzten beiden Wochen fast täglich für zwei Stunden getroffen. Hin und wieder waren auch noch für einzelne Stunden andere Schüler dabei, von denen leider keiner geblieben ist.
Ich habe also versucht die Grundlagen des Klavier-Blues-Spiels zu vermitteln, beginnend bei einfachen Bassmustern, über rhythmische Klatschübungen zu eigenen Improvisationen. Dabei habe ich die meiste Zeit ein Rotationsverfahren angewendet, bei dem einer der Schüler die linke und ein anderer die rechte Hand übernehmen sollte, da beide Hände gleichzeitig am Anfang noch zu sehr überfordern würde. Meine Schüler haben alle ihre Stärken und Schwächen. Das Tolle am Gruppenunterricht ist, dass jeder Spieler noch etwas vom anderen lernen kann und auch diejenigen, die eine Aufgabe schneller bewältigen können, den anderen helfen und dadurch auch ihre eigene Kompetenz erweitern.
Viele Dinge im Bereich der Rythmik, Fingeranschlag, etc. werden die beiden auch für ihren klassischen Unterricht übernehmen können.
Schließlich habe ich Long noch den "Basin Street Blues", einen echten Jazzstandard aufgegeben, Sunny soll "Don't Know Why" von Norah Jones spielen. Beide sollen ihre Stücke und ihre Improvisation bei dem von Steffi geplanten Kulturabend aufführen. Bei Don't Know Why habe ich glücklicherweise auch noch zufällig eine talentierte Sängerin gefunden, die das Lied intonieren wird.

Leider ist morgen auch schon die letzte reguläre Unterrichtsstunde unseres Kompaktkurses (5 Tage die Woche täglich 2 Stunden Klavierunterricht sind schließlich Luxus), da Steffi und ich ab Montag an einer anderen Universität in der Stadt arbeiten werden. Allerdings habe ich Mihr vorgenommen noch mindestens einmal zwischendurch vorbeizuschauen, um den Unterricht fortzusetzen.

Sonntag, 7. März 2010

"Bon Soir" und Winterwunderland

Nach langer Abstinenz wieder ein Post, dafür diesmal einmal der besonderen Art.

Das Französisch in diesem Titel hat zweierlei Bedeutung. Zum einen ist seit einigen Tagen unsere Unidozentin Marlène mit einer kleinen Delegation in Hefei angekommen, die Franko-Schweizerin ist. Leider hatten wir bis jetzt nur sehr wenig Zeit, uns auszutauschen, da sie und wir ganz andere Tagespläne haben.

Am Freitag hatten wir dann wieder einen kurzen Arbeitstag. Dieser begann damit, dass Steffi mit unserer schon länger ins Herz geschlossenen Klasse eine Stunde über Filme sprachen (überraschenderweise werden bei den Lieblingsfilmen mit "Titanic" und "Avatar" zuerst immer gleich zwei Camerontitel gennant, bevor es mit 2012 weitergeht und irgendwann auch chinesische Titel auftauchen), anschließend kamen wir in eine andere Klasse, mit der wir "The Sound of Music" anschauten, aber weiter nicht viel zu tun hatten, außer der gewöhnlichen Fragen, die uns immer wieder gestellt werden "what is your chinese name?", "do you like chinese food?".

Schließlich durfte ich auch wieder den Chor dirigieren, was ziemlich viel Spaß gemacht hatte (ich glaube, so etwas habe ich eigentlich noch nie gemacht, wenn ich mich richtig erinnere). Ich seh das ganze als kleine Belohnung für die Mühe, die wir mit den Ausspracheübungen hatten. Mittlerweile sitzt diese jedoch ganz hervorragend. Steffi und ich sind überrascht, wie gut das mittlerweile läuft.

Chor

Nachmittags hatte ich dann wieder Klavierunterricht gegeben (zum vierten Mal diese Woche), wo ich sagen musste, dass meine vier Schüler tatsächlich eine Menge fortschritte gemacht haben in den letzten Tagen! Also ich bin zuversichtlich, dass ich sie alle bei unserem geplanten Konzert/Kulturabend auftreten lassen kann.

Anschließend sind wir zu unserem Tagestrip nach Nanjing aufgebrochen. Zunächst mussten wir dazu mit dem Bus zum Hefeier Hauptbahnof reisen (ca. 30 Minuten im überfüllten Bus stehen, ächz), wurden dort allerdings belohnt, denn auf der Suche nach einem Abendsnack bin ich wieder Danbingfündig geworden (das sind die leckerleckerleckeren Omeletts mit Gemüsefüllung). Noch interessanter war jedoch die Begrüßung einer der Verkäuferinnen, die uns nicht mit dem "hello" (ihr müsst euch das immer mit einem ganz starken Chinesischen Akzent vorstellen) begrüßte, sondern mit "bon soir". Das war ja mal eine Freude! Endlich kein Ami zu sein, sondern Franzose (oder Franko-Schweizer, man kann ja nicht wissen)!

Der Zug war ausgesprochen komfortabel. Sogar so komfortabel, dass wir feststellen mussten, aus Versehen die erste Klasse gebucht zu haben, obwohl wir ausdrücklich die "Popular"-Klasse benutzen wollten. Nun ja. Für einen ICE erste Klasse (denn der Zug war so schnell wie ein ICE) über eine Stunde würde man in Deutschland aber auch nicht 15 Euro pro Nase hin und zurück bezahlen.

In Nanjing staunten wir sofort über die Skyline, die uns am Ausgang des Bahnhofs erwartete. Eigentlich dachten wir in Las Vegas gelandet zu sein. Unzählige Hochhäuser mit Leuchtreklame taten sich in der Ferne auf. Einen Anblick den wir bisher in keiner der uns bekannten Städte genießen konnten. Mit dem Stadtbus fuhren wir dann ins Hostel, das auch ausgesprochen originell daherkam. Es war eigentlich nur ein kleines Mietshaus, an dem in einer Art stylischem Wintergarten die Rezeption und Bar untergebracht war - herrlich gemütlich, leider hatten wir nur eine Nacht gebucht!
Auf unserem Abendspaziergang mussten wir feststellen, dass es ein wenig nieselte, aber trotzdem war die Stimmung unglaublich auf der Straße. Wir sahen die ersten Hügel in einem Stadtbild (Peking, Hefei und Xi'an sind ausgesprochen flach) und immer wieder Regenschirme, die mich alle an den Film Bladerunner erinnerten. Irgendwann entdeckten wir ein riesiges Gebäude, dessen leuchtende Spitze immer wieder in Wolken verschwand. Gespentisch schön.

Nanjing-Skyline

Auch sonst gab es an diesem Abend viel zu sehn. Vor allem Lichter. Und wir mussten auch zugeben, dass diese Stadt die bisher sauberste, grünste und auch sicherste war (die unangenehmen Begegnungen mit dreisten Autofahrer hielten sich hier im Vergleich ausgesprochen in Grenzen).

Am nächsten Tag sind wir dann zu Fuß zum Konfuziustempel aufgebrochen. Hier waren wir ein wenig ernüchtert. Zum einen sahen die Hochhäuser beim Tag nicht mehr ganz so besonders aus, zum anderen war der Konfuziustempel ziemlich klein und unspektakulär (und überall diese hässlich-kitschigen Laternen). Anschließend waren wir allerdings noch in einem recht schönen Altstadtviertel mit vielen Pagoden.

Schließlich fing es allerdings zu regnen an. Leider nicht zu wenig, was unsere Stimmung wieder trübte. Wir hatten uns doch in den Kopf gesetzt, noch ins Grüne zu fahren (es gibt im Osten der Stadt eine riesige Grünanlage mit einem Mausoleum und vielem anderen Kram). Doch das Grüne wurde weiß. Es begann tatsächlich zu schneien. Allerdings in einer unangenehmen Form. Schnee, der bereit war, jeden Augenblick zu tauen. Steffi beklagte sich zu Recht vehement um ihre wasserdurchlässigen Schuhe. Im Grünen angekommen, entschlossen wir uns gleich, wieder umzukehren und andere Sehenswürdigkeiten vorzuziehen. Man konnte ohnehin nicht sehr weit sehen und es war kalt und unwirtlich.
Nach einem kleinen Mittagessen und einer Busfahrt später fanden wir uns dann an einem kleinen Tempel auf einem Hügel wieder, der Schnee legte sich und auch die Aussicht war sehr schön.
Schließlich gingen wir noch in den angrenzenden Park, der eigentlich ein riesiger See mit mehreren durch Brücken verbundenden Inseln war.

Schneepalmen

Dort war es leider nicht sonderlich schön, da die Jahreszeit nicht gerade viel zum Blühen brachte (dabei beginnt in Nanjing die Hauptsaison am ersten März und wir mussten erhöhten Eintritt in den Park zahlen!), allerdings waren wir in einem kleinen Vogelpark und konnten in der ferne noch einmal die Skyline und den Ausblick auf einen der großen Berge genießen.

Auf dem Rückweg zum Bahnhof entdeckten wir noch ein scheinbar verlassenes Freibad, in das ich eindrang, um unbedingt ein paar Fotos zu schießen. Tatsächlich wohnten da einige Leute in zeltartigen Unterkünften. Mein lieber Schwan, ich kann Mihr angenehmere Behausungen vorstellen!

Schwimmbad

Schließlich wieder in Hefei angelangt machten wir uns auf den Weg zu der Danbing-Verkäuferin unseres Vertrauens und wurden tatsächlich wieder mit "Bon soir" begrüßt. Dann haben wir noch 4 Omeletts verputzt (ich davon drei - neuer Rekord!) und sind wohl behütet "zuhause" im Hotel angekommen.

Nanjing ist tatsächlich zu empfehlen! Bisher mein Favorit unter den Städten. Schade, dass es nur ein Tag war und das Wetter nicht ganz mitgespielt hat. Aber wer weiß, vielleicht kommen wir noch einmal her.

Ach ja, und das große Gebäude in Nanjing, stellte sich später (zuhause in der Wikipedia) als größtes (fertiggestelltes) Gebäude in China und damit siebtgrößtes Gebäude der Welt heraus.

Dinge, die die Welt doch braucht?

Es gibt so einige Dinge in China, über deren Existenz man sich in Deutschland kaum Gedanken macht, die hier aber aus diversen Gründen essentiell werden.
1. Fußabtreter. Eine banale Sache bei uns, doch hier eine Rarität. Der Staub oder die Nässe verteilt sich überall, was wiederrum mehr Arbeit für die Reinigungsfachkräfte ist und die ohnehin schon glatten Fliesen (siehe Punkt 5) auch im Innenbereich zu Rutschbahnen werden lässt.
Zusatz: Nach mehrtägigem Regen haben wir im Supermarkt mit mehreren Schichten durchweichter Pappe erste Ansätze zum Fußabstreiferprinzip gefunden.
2. Mülleimer. Ob im Park oder an der Uni, Mülleimer sind hier nicht gerade zuhauf zu finden. Stattdessen wird der Müll dann unter die Schulbänke oder einfach auf einen Haufen hinter die Tür geworfen oder man sammelt in seinen Jackentaschen Unmengen gebrauchter Taschentücher, Papierschnipsel, Verpackungen, bis man doch mal einen findet.
3. Türschlösser. Geschäfte verschließen ihre (Doppel-)Türen üblicherweise mit Stahlbügel- oder auch Fahrradschlössern (unser Hotel ist da nachts auch keine Ausnahme), in der Uni gibt es statt dem guten alten Türschloss Metallhaken mit kleinen Vorhängeschlössern. Bei uns wäre sowas doch in nullkommanix geknackt…
4. Gullys. Ich vermisse sie wirklich. Es liegt unter anderem daran, dass sich beide Paar Schuhe, die ich hier habe, als nicht wasserdicht herausstellten (naja, von einem Paar Turnschuhe hab ich auch nichts anderes erwartet). Mit dem Regen der letzten Tage gab es täglich Unmengen riesiger Pfützen auf kilometerweiter Betonwüste. Während man auf den Straßen schon Abflussrinnen hat, habe ich auf dem Campus noch keinen einzigen Gully entdecken können. Es erinnert ein bisschen an Spießrutenlaufen, wie ich dann das letzte Fleckchen trockener Socken durch Balancieren auf Beetumrandungen, hüpfen und springen zu bewahren versuche.
Die Regenrinnen führen hier auch nicht in ein unterirdisches Abwassersystem, sondern einfach auf den Boden. Die Meinung ist hier wohl, dass alles Wasser auf dem Beton früher oder später verdunstet.
5. Fliesen im Außenbereich. Vergesst die klassische Bananenschale, wir haben hier waschechte chinesische Fliesen. Sind schön, sieht man auch in Deutschland, aber glatte Fliesen im Außenbereich? Entweder tragen hier alle heimlich Spikes an den Sohlen oder ich bin ein Trampeltier, denn bei dem täglichen Regen bin ich nicht nur einmal gehörig ins Rutschen geraten. Dass ich nie hingefallen bin, ist natürlich meinem begnadeten Gleichgewichtssinn zuzuschreiben *hust*. Nein, ehrlich, ich glaube es ist pures Glück. Mein Appell: Nachdenken, dann bauen!
6. Das passt auch gut zum letzten Punkt: die Isolation. Dass einfach verglaste Fenster nicht gerade energieeffizient sind, weiß jeder, wenn dazu allerdings eine interessante Bauweise kommt, fragt man sich, ob hier überhaupt über Wärme und Kälte nachgedacht wird. Das Musik- und das Kunstdepartment beispielsweise sind beide sehr offen gehalten, die Klassenzimmer führen direkt ins Freie, was den Wind überall pfeifen und die Kälte überallhin kriechen lässt. Im Sommer wird es durch die offene Bauweise aber ja nicht kühler…

We build for China

Zwei Monate Urlaub und Praktikum im Reich der Mitte!

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