Samstag, 27. März 2010

Licht aus, Spot an

Um es vorweg zu nehmen: es lief nicht alles glatt, aber es war trotzdem ein toller Kultur- und Abschiedsabend in Hefei.

Wir hatten Proben ab 10 Uhr angesetzt, Niklas mit seinen Dramaleuten, ich mit meinem Co-Moderator, das Equipment musste durchgecheckt werden, ab 14 Uhr wollten dann schließlich die Schüler vom Teacher’s College kommen und einen Durchgang machen bevor wir um 16 Uhr mit dem Programm starten wollten. Soweit die Theorie. In der Praxis war um 10 Uhr nur die Hälfte der Studierenden da und die Bühne sah nach dem spontanen Performanceabend für Beijing-Offizielle aus wie ein Schlachtfeld, inklusive heruntergelassenem Vorhang auf der Bühne. „Da ist was kaputt, die können den Vorhang nicht nach oben ziehen“, wird uns gesagt. Mit bloßer Muskelkraft geht’s dann doch, auch wenn der Vorhang recht schief in den Seilen hängt und Niklas schon die Schlagzeile „Deutsche Studierende in China von Bühnenvorhang erschlagen“ vor Augen hat.

Die ersten Proben verlaufen gut, sowohl bei Niklas Gruppe als auch bei mir, doch ein ungutes Gefühl macht sich breit: vom versprochenen Projektor und der Leinwand ist weit und breit nichts zu sehen. Also, rumtelefonieren. „Jaja, das ist alles unterwegs“, verspricht Mr. Wang. Ok, ich glaube ihm mal. Schwerer Fehler. Denn entweder hat er eine andere Definition von unterwegs oder er hat mir verschwiegen, dass der Projektor in Wahrheit aus Beijing geliefert wird. Kostbare Stunden verstreichen, in denen ich trotzdem genug zu tun habe, aber es ist auf einmal schon halb 4 und wo zur Hölle ist der Projektor und die Leinwand. Letztere ist auf einmal doch die ganze Zeit schon im Theater installiert gewesen (absenkbar). Der Konzertraum füllt sich langsam, was besonders Niklas aufregt, da wir noch nicht mit den Proben durch sind und die Tür eigentlich geschlossen sein sollte. Um kurz vor 4 sind dann auch die Herren mit dem Projektor da und kabeln und pfriemeln was das Zeug hält. Die Justierung des Projektors dauert eine gefühlte Ewigkeit, Herrgott, können die Chinesen nicht schneller arbeiten? Was ist, wenn das jetzt alles nicht funktioniert mit den Filmen? Mein Co-Moderator Li Yao spricht schlechter Englisch als meine Mutter (sorry Mama), bis wir Änderungen übersetzen verginge wieder eine Weile… Da, sie haben es endlich hinbekommen, fehlt nur noch der Ton. Um Himmels Willen, total ruckelig und quäkig. So geht das auf keinen Fall. Rumgestöpsel, der Computer wird auf die Bühne gestellt, ok, der Ton funktioniert. Es ist mittlerweile fast halb 5, der Saal ist halb voll, vor der Tür warten noch einige Leute hereingelassen zu werden. Rein mit ihnen, kurzer Testlauf mit dem Film, alles paletti. Na, Gott sei Dank.

Wir fangen an, ich bin ein bisschen haspelig, aber seltsamerweise kocht mir nicht das Blut, wie sonst so oft. Es beginnt mit einem Stück auf der er’hu, der chinesischen Kniegeige, gespielt von einer Freundin von Crytsal, einer von Niklas Pianoschülerinnen. Crystal selbst singt „I still believe“ und Long fasziniert mich mit „Basin Street Blues“ sowie einer Jazzimprovisation. Wir zeigen die Filme, die die Mädchen vom Teacher’s College im Filmworkshop gemacht haben und eine andere Freundin von Crystal spielt ganz bezaubernd auf der Guzheng. Studierende aus der Anhui Universität spielen und singen europäische und chinesische Arien, Sunny und Yin Na aus dem Teacher’s College spielen und singen „Don’t know why“. Ich hatte die beiden ja schon bei ein paar Proben gehört, aber auf einer Bühne wirkt es noch viel toller. Ich bin ganz begeistert. Niklas spielt einen selbstgeschriebenen Song am Klavier, Jay schwenkt dazu ein imaginäres Feuerzeug. „Freunde. So schön“, würde Andrea Berg hauchen. Das Drama aus Niklas‘ Workshop ist wirklich sehr gut. Die Studierenden hatten „Cultural Differences“ als Thema gewählt und einzelne Szenen mit theaterpädagogischen Übungen kombiniert. Obwohl ich erst vor 3 Tagen angefangen habe auf dem Klavier zu klimpern, meinte Niklas, das sei im Duett trotzdem aufführungsreif. Mit nur den schwarzen Tasten kann man weniger falsch machen und da ich ja nicht allein spielte hatte ich auch kaum zittrige Finger (das Adrenalin scheint sich an diesem Abend in Baldrian verwandelt zu haben) und die Melodie auch ganz passabel und auch ein wenig chinesisch klang, bin ich auch ein bisschen stolz auf mich. Den Schluss bildete die Jazzimprovisation von Niklas und Leo, die ja schon bei unserem ersten Musikschulenbesuch in Hefei ziemlich losgelegt hatten und wieder mit Saxophon und Piano/Schlagzeug eine fette Show hinlegen, dass den Beteiligten hinter den Bühne nichts bleibt, als zu tanzen.
Wie wir am Vorabend schon feststellen mussten, gleicht das Ende von Veranstaltungen leider einer Flucht. Innerhalb von wenigen Minuten war der Saal leer, wir wurden von Bob aus dem Educational Department beglückwüscht, der das Programm glaube ich wirklich gemocht hat. Dann ging die Fotoschießerei los: „May I take a picture with you?“, „Can I have your e-mail-address?“, „May we do an Interview with you?“ (inklusive „What do you think of China?“ und „Can I make friends with you?“).
Nach-dem-Konzert

Dass es Abendessen-Zeit war, ließen wir nicht als Grund gelten weg zu müssen und so gingen wir zu elft in ein Restaurant in Campusnähe. Da wir unsere Pappenheimer ja kennen und uns nicht immer einladen wollten, ging ich bereits ganz in chinesischer Manier nach der Bestellung „auf die Toilette“, um die Rechnung zu bezahlen. Die Reaktion, als man das am Ende des Essens herausfand, war eher Entsetzen. Ich glaube es war ihnen auch ein bisschen peinlich, aber wir haben ihnen erklärt, dass wir uns immer nach chinesischen Bräuchen haben einladen lassen und wir auch einmal für alle zahlen wollten, wie man es in Deutschland eben auch macht.

Ich musste am Ende wirklich ein paar Tränen runterschlucken, aber wir haben viele E-Mail-Adressen ausgetauscht, Andy stellte in Aussicht seine Mutter im nächsten Jahr auf einem Deutschlandtrip zu begleiten, John wird ab Herbst und Vale eventuell im nächsten Jahr in England studieren, was ja für uns dann um die Ecke ist und so bestimmt das ein oder andere Wiedersehen beschert.

We build for China

Zwei Monate Urlaub und Praktikum im Reich der Mitte!

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